// SZ: Krailling statt Kroatien
07 Feb
SZ: Krailling statt Kroatien
In der Bayernliga ist der Klassenerhalt für Würm-Mitte und Eichenau kaum mehr zu schaffen. Auch das Projekt Hachinger Tal liegt hinter den Erwartungen - immerhin gibt es positive WM-Signale.
Von Ralf Tögel
Es sind knapp drei
Wochen vergangen, seit die Weltmeisterschaft das Land in eine regelrechte
Handball-Euphorie versetzte. Die Vorrundenspiele der Gruppe B in der Münchner
Olympiahalle fanden einen so stimmungsvollen wie sportlich hochklassigen
Höhepunkt in der letzten Partie zwischen dem zweimaligen Olympiasieger Kroatien
und dem aktuellen Europameister Spanien. Seither ist die Rede davon, dieses
Stimmungshoch in eine nachhaltige Begeisterung für die Sportart zu verwandeln,
speziell der Standort Südbayern mit der Metropole München hat bekanntlich
einigen Nachholbedarf. Doch wie sieht es aus in der Region, sind Nachwehen der
WM zu spüren?
Ja, sagt Benedikt Waterloo, der Abteilungsleiter der HSG Würm-Mitte, er habe
zumindest im Kinderbereich einige Neuanmeldungen registriert, von einem Boom
will er aber nicht sprechen. Vielmehr müsse man versuchen, diesen Trend zu
nutzen. "Wenn vier, fünf Kinder bleiben, wäre das ein schöner
Erfolg." Am vergangenen Wochenende spielten die Männer der
Spielgemeinschaft aus TSV Gräfelfing und TV Planegg-Krailling gegen HT München,
ebenfalls eine Spielgemeinschaft. HT bedeutet Hachinger Tal und vereint den TSV
Unterhaching und die SV-DJK Taufkirchen unter einem Dach, diese vier Vereine
haben erkannt, dass es einer positiven Entwicklung dienlicher ist, die Kräfte
zu bündeln, als sich im Konkurrenzkampf aufzureiben. Dem HT München steht ein
prominenter Fürsprecher zur Seite, Weltmeister Henning Fritz will mit seiner
Erfahrung und seinen Kontakten helfen, Handball
in der Landeshauptstadt wieder in Richtung Bundesliga zu hieven. Die
Handball-WM wurde jedenfalls in München "unglaublich gut angenommen,
obwohl es der einzige Standort ohne deutsche Beteiligung war, so Fritz. Nun
gelte es, die Rahmenbedingungen weiter zu verbessern, diesbezüglich befinde man
sich in Gesprächen und es gebe durchaus "positive Signale", erzählt
der WM-Torhüter von 2007.
Dass sich die Kontrahenten remis getrennt haben (18:18), ist hingegen weniger
Ausdruck der gemeinsamen Interessenslage, als das Resultat eines intensiven
sportlichen Schlagabtausches. Für HSG-Trainer Markus Wuttke ist der eine Punkt
ein Erfolg, für den Tabellenletzten war es erst der dritte der gesamten Saison.
Wuttke und Kollege Alexander Kuttig haben die Mannschaft erst kurz vor
Saisonbeginn übernommen, alles andere als der direkte Wiederabstieg wäre
"ein Traum". Das Trainerduo sieht sich vor allem mit dem knapp
besetzten Kader gegenüber der Konkurrenz im Nachteil: "Wenn sich einer
verletzt, dann wirkt sich das sofort aus." Leidenschaft und Kampfgeist
waren die entscheidenden Tugenden im vergangenen Aufstiegsjahr, für die
bayerische Königsklasse dürfte das nicht reichen. Für eine Liga, in der Teams
wie der HSC Bad Neustadt spielen, ein Klub in Nähe zum semiprofessionellen
Bereich, dessen einziges Ziel der Aufstieg ist. Für Würm-Mitte hingegen wäre
der Abstieg kein Beinbruch, erklärt Wuttke, "alle Spieler haben ihr
Bleiben signalisiert". Dass die HSG eine Frauenmannschaft in der dritten
Liga hat, erschwert die Situation: Vor allem finanziell seien daher keine
großen Sprünge machbar, erklärt Abteilungschef Waterloo.
Die Aussichten für Gegner HT München sind deutlich besser, die Ziele
entsprechend größer. Mittelfristig strebe man in die dritte Liga, erklärte
Henning Fritz vor der Saison, mindestens. Trainer Christian Sorger sagt nun,
dass man erst einmal "noch zwei, drei Spiele gewinnen" muss, um sich
nach hinten abzusichern. "Dann kann man sehen, was noch möglich ist",
sagt Sorger. Sein Team steht als Siebter derzeit im gesicherten Mittelfeld. Von
Vereinen wie Bad Neustadt, das mit Abstand die Tabelle anführt, einen Etat von
bis zu 300 000 Euro und einige Profis im Kader habe, sei man
jedenfalls "meilenweit entfernt. Wir müssen versuchen, erst einmal das
Umfeld für die dritte Liga zu schaffen", mahnt Sorger. Der Trainer wird
kommende Saison im Übrigen in die zweite Reihe rücken, beruflich und familiär
sei der Aufwand bei diesen ambitionierten Zielen nicht mehr zu leisten, neuer
Trainer wird Bernhard Karg. Der kommt vom Landesligisten Allach und habe sich
als Talententwickler einen Namen gemacht.
Auch für den
dritten Regionsvertreter in der Bayernliga, den Eichenauer SV, dürfte der
Klassenerhalt ein Problem werden. Körperlich sei der Aufsteiger schnell
"an Grenzen gestoßen", erklärt der stellvertretende Abteilungsleiter
Anselm Fuchs. Zudem seien "die meisten Konkurrenten finanziell wie
personell ganz anders ausgestattet." Fuchs sieht im Übrigen einen
positiven Aspekt der Handball-WM in Sachen Zuschauer, seither kämen
"bestimmt 30, 40 Leute mehr an den
Spieltagen". Sportlich kämpft die Mannschaft dagegen ums Überleben.
"Die Bayernliga ist eine ganz andere Realität", erklärt Trainer
Aleksandar Radukic. Er hatte zudem in den vergangenen Wochen mit vielen Verletzten
zu kämpfen. Wichtige Spieler fallen sogar die ganze Saison aus. Immerhin
entspannt sich die Situation langsam, was in der Folge bessere Ergebnisse
zeitigen soll. Die knappe 23:25-Niederlage bei der Zweitligareserve der DJK
Rimpar war ein erster Fingerzeig, hofft Radukic. Momentan steht Eichenau auf
dem vorletzten Platz. Der Abstand zur Nichtabstiegszone wie die Tatsache, dass
bis zu fünf Teams bei ungünstiger Konstellation der oberen Spielklassen
absteigen können, dämpfen indes die Hoffnungen.
Auch in Eichenau fehlen die Ressourcen, um sich in der vierten Liga zu
etablieren. Dies muss langsam und nachhaltig vonstatten gehen, Investoren oder
hochklassige Spieler sind nicht in Sicht. Entwicklungsgrundlage muss folglich
eine nachhaltige Jugendarbeit sein. HT-Trainer Sorger sieht seinen Klub auf
einem guten Weg: "Das Wichtigste sind gute Nachwuchstrainer. Wenn da die
Qualität stimmt, zieht das Kinder." Im Klub sei das im Übrigen schon vor
der WM ein Magnet im Jugendbereich gewesen.
Bericht der Süddeutschen Zeitung